Und Gott strafte uns mit der Volksmusik

Warum nur? Warum nur liegt deutsche Volksmusik so außerhalb jeder Diskussion? Ich frage dies voller Verzweiflung und Traurigkeit. Deutschland ist keine akzeptable Volksmusik vergönnt, alles, was sich Volksmusik nennt, ist freigegeben ab 65 und selbst dann sehr fragwürdig. Bei uns turnen Menschen in lächerlichen Kostümen, die selbst im tiefsten Bayern niemand tragen würde, über Bühnen aus Kunstholz. Beschunkelt werden sie dabei von einer Parallelgesellschaft, die uns sagen zu wollen scheint: „Vergesst die demographische Pyramide nicht, Kinder, wir sind in der Überzahl! Und denkt an unsere Rente!“.

Statt der Sintflut schickte Gott die Wildecker Herzbuben. Eine gerechte Strafe?
Statt der Sintflut schickte Gott die Wildecker Herzbuben. Eine gerechte Strafe?

Vielleicht ist das die Strafe für all die Kriege, die Deutschland begonnen hat, für all das Unheil, das wir über die Welt gebracht haben. Gott wollte die Gewalt bestrafen. Er suchte eine stilvolle, aber doch harte Strafe – und fand die Wildecker Herzbuben. Eine Sintflut wäre geschmacklos gewesen, viel zu offensichtlich und längst aus der Zeit. Zudem wäre sie garantiert falsch interpretiert worden, beispielsweise als Folge des Klimawandels. Wenn Thailand einen Tsunami überstehen muss, hätte eine Sintflut für Deutschland keinen besonderen Stellenwert mehr. Es musste also etwas Besonderes her.

Und dennoch: Es fällt schwer zu akzeptieren, dass dieses gar nicht mal so unmusikalische Land so etwas zu Ohren bekommen muss. Und es hemmt den Patriotismus. Denn wie soll man sich stolz dazu bekennen, dem deutschen Volke anzugehören, wenn dessen Musik Ohren jedweder Nationalität so etwas antut.

Ich mutmaße deshalb, dass der französische Nationalstolz auch musikalisch begründet ist. Das, was man bei unseren Nachbarn als „musique traditionelle“ bezeichnen würde, was also vor allem auch von eben jener Parallelgesellschaft gehört wird, ist unvergleichlich schöner, intelligenter und interessanter als unsere Herzbuben. Und so kommt es, dass die Parallelgesellschaft zumindest in der Welt der Musik viel unausgeprägter ist.

Der retraité français hört George Brassens, der deutsche Rentner eben die Wildecker Herzbuben. Zum Vergleich zwei jeweils bekannte Refrains. Brassens und die Herzbuben sind scheinbar von einer Frau getrennt, Deutschland und Frankreich gehen aber unterschiedlich mit diesem Zustand um. Fangen wir peinlich an, um mit einem guten Gefühl aufhören zu können. Die Herzbuben singen:

„Herzilein, du musst net traurig sein,

Ich weiß du bist net gern allein,

Und schuld war doch nuuuur der Wein,

Spatzilein, ich werd´ dir noch einmal verzeihn,

die Hauptsache ist, du kommst Heim,

So kann nur ein Eeeeengel sein“.

Dabei wackeln Vollbart und Schnäuzer, beide unterhalb kugelrund, durch eine Halle voller Rentner und künstlicher Brücken. Stellt sich so irgendjemand Deutschland vor?

Nun zum angenehmeren Teil. Und ja, ich ergreife bewusst Position. George Brassens singt, während er Musik macht:

„Auprès de mon arbre, Bei meinem Baum,

Je vivais heureux, Lebte ich glücklich,

J’aurais jamais dû m’éloigner de mon arbre, Ich hätte mich niemals von ihm entfernen dürfen,

Auprès de mon arbre, Bei meinem Baum,

Je vivais heureux, Lebte ich glücklich,

J’aurais jamais dû le quitter des yeux“. Ich hätte niemals ein Auge von ihm lassen dürfen.

Die einen betrinken sich, die anderen bereuen und dichten. Ich wage die Aussage, hier ausnahmsweise lieber Franzose sein zu wollen. Auch, wenn jenseits des Rheins ebenfalls schunkelbare Vierviertel-Takt-Musik existiert, halte ich jegliche Verschwörungstheorie für überflüssig. Gott hatte seine Finger im Spiel. Jetzt müssen wir es aussitzen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Franzosen bald einen Krieg anfangen und Gott sich noch einmal zur gleichen Strafe hinreißen lässt.

2 Antworten zu “Und Gott strafte uns mit der Volksmusik

  1. Ich bin mir nicht so sicher, ob`s wirklich der liebe Gott war. Alsich vor 25 Jahren für ein Jahr in den mittleren Westen der USA zog, wurde ich gleich am ersten Morgen mit furchbarer deutscher Volksmusik aus irgendeinem lokalen Radiosender bedudelt. Leider habe ich nie rausgefunden, wer da den Plattenteller bedient hat….

  2. Und ich dachte immer, dass es in jedem europäischen Land einen Mutantenstadl gibt, wo ein blondierter Schönling mit beigem Kommunionsanzug und Schwiegermuttergrinsen die Rentner bespaßt. Ich bin desillusioniert… Aber die Aufklärung wurde ja auch nicht Deutschland geboren. Vielleicht gibt es ja noch Rettung.

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